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Bericht 13. Erfurter Tage des Arbeitsrechts und Ankündigung 14. Erfurter Tage

Die "13. Erfurter Tage des Arbeitsrechts“ waren erneut mit hochkarätigen Referenten besetzt. Frau Anke Berger, Richterin des 2. Senats des BAG, Prof. Dr. Gregor Thüsing, Universität Bonn, Prof. Dr. Rolf Bietmann, Direktor des Erfurter Instituts für Personalmanagement und Personalrecht sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht, Prof. Dr. Claudia Schubert, Freie Universität Berlin, und Dr. Jochen Sievers, Vorsitzender Richter am LAG Köln, sorgten mit ihrem jeweils exzellenten Vortragsstil zu aktuellen arbeitsrechtlichen Themen für eine lebhafte Fachtagung der Erfurter Gesellschaft zur Pflege des Arbeits- und Wirtschaftsrechts am Sitz des BAG.

Der Vor­sitzende der Gesellschaft, Prof. Dr. Bietmann, eröffnete die Veranstaltung mit einem Blick auf arbeitsrechtlich relevante Aussagen in den Wahlprogrammen der politischen Parteien zur Bundestagswahl. Er merkte an, dass der in der auslaufenden Legislaturperiode feststellbare gesetzgeberische Stillstand, der zu beachtlicher Rechtsunsicherheit auch in der Rechtsprechung des BAG geführt habe, beendet werden müsse.  

Im Anschluss referierte Prof. Dr. Schubert zum Thema "Arbeitnehmerschutz für GmbH-Geschäftsführer - mit Blick auf Antidiskriminierungsrecht und Rechtswegfragen“. Sie erläuterte das bisherige rechtliche Verständnis zur Rechtsstellung von GmbH-Geschäfts­führern und sprach die Unterscheidung von Anstellungsverhältnis und Organ­stellung an. In dem Zusammenhang wies sie auf eine sich ändernde Rechtsprechung des EuGH hin. Besonders bemerkenswert sei die Rechtssache „Danosa“. In dem Fall habe der EuGH entschieden, dass Geschäftsführer i.S.d. Unionsrechts auch Arbeitnehmer sein können (EuGH v. 11.11.2010 C-232/09). Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff i.S.v. Art. 45/157 AEUV werde durch den EuGH jedenfalls weiter ausgelegt als es die Arbeitsgerichte in Deutschland bislang praktizierten. Dies habe zur Folge, dass nach dem unionsrechtlichen Verständnis sowohl Fremd- wie Minderheitsgesellschafter in der Rolle des Geschäftsführers Arbeitnehmer sein könnten. Einstufungskriterien seien hierfür bestehende Weisungsrechte anderer Organe oder Berichtspflichten der Geschäftsführer gegenüber Organen. Aufgrund des Einflusses europäischer Regelungen zum Arbeitnehmerschutz auf das nationale Recht entstehe damit ein uneinheitlicher Arbeitnehmerbegriff im nationalen Bereich. Folge sei, dass nationale Arbeitnehmerschutzgesetze mit Bezug zum unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff im Gegensatz zur bisherigen nationalen Rechtsprechung auf Geschäftsführer anzuwenden seien. In dem Zusammenhang widmete sich Schubert dem Schutz der  Geschäftsführer vor Benachteiligungen gemäß AGG sowie Rechtswegfragen bei der Vertretung von Geschäfts­führern. Ihr vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des EuGH konzipierter Vor­trag gab einen spannenden Einblick in die sich verändernde juristische Würdigung des Arbeitnehmerschutzes für GmbH-Geschäftsführer.

Prof. Dr.Bietmann wiederum referierte über aktuelle Entscheidungen des BAG zum kirch­lichen Arbeitsrecht. Er erläuterte insbesondere die Entscheidung des BAG zu "Loyalitäts­pflichten" im kirchlichen Dienst. Das BAG, so Bietmann, akzeptiere in seiner Entscheidung die Reichweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts auch in Bezug auf Loyalitäts­pflichten kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um dann jedoch in einer eigenen fast schon moralisch wirkenden Bewertung zu dem Schluss zu gelangen, dass abweichend vom kirchlichen Selbstverständnis eine auf die Verletzung von Loyalitätspflichten beruhende Kündigung gleichwohl unter bestimmten Lebensvoraussetzungen unverhältnismäßig sein könne. Bietmann vertrat die Ansicht, dass insoweit der Spagat zwischen kirchlichem Selbst­bestimmungsrecht und dem kündigungsschutzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz argumentativ nicht gelungen sei.

Besondere Aufmerksamkeit hat das BAG mit seiner Entscheidung zum Streikrecht im kirch­lichen Dienst gefunden. Danach akzeptierte das BAG den von den Kirchen entwickelten "Dritten Weg" zur Regulierung von Arbeitsbedingungen, der im kirchlichen Dienst an die Stelle von Tarifverträgen trete. Allerdings sei ein solcher Weg nur dann verfassungskonform, wenn den über Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionen, mithin auch den Gewerkschaften, ein Betätigungsrecht in den Kommissionen des "Dritten Weges" zugesichert werde. Bietmann kritisierte in dem Zusammenhang, dass die Entscheidung des BAG völlig offen lasse, wie kirchenfremde Koalitionen in ein innerkirchliches Arbeitsrechtsregelungsverfahren verfassungskonform integriert werden könnten. Der im kirchlichen Bereich praktizierte Dienstgemeinschaftsgedanke lasse jedenfalls die Einbindung kirchenfremder Organisationen zur Regelung von Arbeitsbedingungen kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inkonse­quent erscheinen.

In seinem Schlussstatement verwies Bietmann auf die bevorstehenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu beiden Themenbereichen. Man werde sehen, ob sich das Bundesverfassungsgericht den verfassungsrechtlichen Erwägungen der Erfurter Arbeits­richter anschließen könne.

Einen umfassenden Einblick in die aktuelle Rechtsprechung des 2. Senats des BAG zum  Kündigungsschutz gab Berger. Sie beschäftigte sich zunächst mit § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG und berichtete, der Senat habe entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Betriebsgröße im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG mitzuzählen seien. Dies gelte jedenfalls dann, wenn mit ihnen ein regelmäßiger Beschäftigungsbedarf gedeckt werde (BAG v. 24.01.2013 – 2 AZR 140/12). Dies, so Berger, sei Ergebnis einer  verfassungskonformen Auslegung des Betriebsbegriffs (BAG v. 23.05.2013 – 2 AZR 54/12). Arbeitnehmer im Ausland gelegener Betriebe werden hingegen nicht von § 23 Abs. 1 KSchG umfasst (BAG v. 26.03.2009 – 2 AZR 883/07).

Berger berichtete schließlich von einer betriebsbedingten Kündigung eines Leiharbeitnehmers durch den Verleihbetrieb. Der Senat hat in dem Fall mit der Maßgabe geurteilt, dass in der Regel sämtliche vergleichbaren Leiharbeitnehmer in die Sozial­auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG miteinbezogen werden müssten. Dies gelte auch für die im Einsatz bei einem Entleiher befindlichen Arbeitnehmer (BAG v. 20.06.2013 – 2 AZR 271/12). Geklärt sei weiter, dass der Arbeit­geber bei der Fremdvergabe von Tätigkeiten bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern auf die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist zurückgreifen könne und diese trotz Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs nicht für Jahre weitervergüten müsse (BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11).

Dr. Sievers beleuchtete das Befristungsrecht vor dem Hintergrund "der neuesten Tendenzen aus Erfurt". Insbesondere im Bereich der Sachgrundbefristung seien, so Sievers, durch europarechtliche Vorgaben und Vorlagen an den EuGH und deren Umsetzung durch das BAG neue Entwicklungen entstanden. Die „Kücük“-Entscheidung des EuGH habe dazu geführt, dass die Wirksamkeit einer Sachgrundbefristung nunmehr in zwei Stufen zu prüfen sei. Neben der bisherigen Prüfung des Sachgrundes, müsse nunmehr in einem zweiten Schritt eine Rechtsmissbrauchsprüfung i.S.d. § 242 BGB erfolgen (BAG v. 18.07.2012 – 7 AZR 443/09). Dies führe zu einer gewissen Rechtsunsicherheit, da Grenzen insoweit nur schwer gezogen werden könnten.

Sievers ging weiter auf einzelne Befristungsgründe ein, u.a. auf die Problematik eines nur vorübergehenden Bedarfs im Betrieb, des gerichtlichen Vergleichs und der haushaltsrechtlichen Befristung. Er wies darauf hin, dass ein gerichtlicher Vergleich gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG nicht vorliege, wenn dieser nur von den Parteien unterbreitet werde und das Gericht diesen schlicht feststellt. Erhebliche Diskussionen löste die Darstellung der sach­grundlosen Befristung aus. Erörtert wurde insbesondere, ob bei Verlängerung von befristeten Verträgen die Arbeitsbedingungen verändert werden dürfen.

Prof. Dr. Thüsing sorgte mit einem gewohnt lebhaften Vortrag für angeregten Meinungs­austausch zum Thema der arbeitsgerichtlichen Vertragsgestaltung. Nach Darstellung der Grundlagen des ABG-Rechts und der Erläuterung einer  Vertragsgestaltung mittels des sog. „Blue-pencil-test“, nahm Thüsing einzelne Vertragsklauseln ins Visier. Betrachtet und bewertet wurde die aktuelle Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeitsvorbehalten, Vertragsstrafen, Pauschalierung von Überstunden, Rückzahlung von Ausbildungs­vergütungen, Gratifikationen, Ausgleichsklauseln, Dienstwagenregelungen und Regelungen zum Rückkehrrecht. Auch ging Thüsing auf Grenzen und Reichweite des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts ein. Er warnte schließlich vor der ungeprüften Übernahme von Muster­klauseln aus Vertragshandbüchern und verdeutlichte dies anhand zahlreicher Beispiele. Die sorgfältige Überprüfung derartiger Vertragsmuster sei unerlässlich ist, um Haftungsfallen aus dem Weg zu gehen.

Die lebhaften Diskussionen der wieder zahlreich erschienen Teilnehmer und die Kompetenz der Referenten machten die Erfurter Tage erneut zu einem arbeitsrechtlichen Erlebnis. Die „14. Erfurter Tage des Arbeitsrechts“ finden am 05. und 06. September 2014 mit wiederum prominenter Besetzung am Sitz des Bundesarbeitsgerichts statt.

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