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Möglichkeiten der Arbeitszeitverlängerung nach dem Arbeitszeitgesetz

Die tägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer ist ein Thema, mit dem Hoteliers und Gastronomen sich spätestens seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG) intensiv befassen müssen. Eigentlich hätte diese Befassung schon mit der Einführung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) im Jahr 1994 stattfinden müssen. Das ist vielfach nicht geschehen und viele Unternehmer sind deshalb überrascht, wenn sie nun mit den Grundsätzen der §§ 2 ff. des Arbeitszeitgesetzes konfrontiert werden. Der folgende Beitrag skizziert grob die wesentlichen Grundlagen des Arbeitszeitrechts und zeigt für die Branche interessante Lösungsmöglichkeiten für die daraus resultierenden Probleme auf.

Arbeitszeiten werden addiert

Gleich in § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG stoßen wir auf das erste Problem. Dort heißt es kurz und knapp:

Arbeitszeiten bei verschiedenen Arbeitgebern sind zusammenzurechnen.“ 

Die Konsequenz: Angestellte, die einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen und nur ab und an nach Feierabend etwas dazuverdienen wollen, bringen die bei ihrem Hauptarbeitgeber geleisteten Stunden mit in den Betrieb. Dort darf dann nur noch so viel gearbeitet werden, wie das Arbeitszeitgesetz höchstens zulässt.

Höchstens acht Stunden pro Werktag

Die Höchstarbeitszeit der Arbeitnehmer ist in § 3 ArbZG geregelt. Sie beträgt acht Stunden pro Werktag, wobei der Samstag als Werktag gilt. Summa summarum können Arbeitnehmer also maximal 48 Stunden pro Woche arbeiten. Für die meisten Arbeitnehmer mit Vollzeitbeschäftigung ergibt das nur noch einen kleinen zeitlichen Spielraum für Nebentätigkeiten.

Ausnahmsweise sind auch zehn Stunden pro Werktag zulässig

Der Gesetzgeber räumt aber die Möglichkeit ein, die Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden pro Werktag zu verlängern, so dass sich bei sechs Werktagen pro Woche immerhin 60 Stunden ergeben, an denen Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung herangezogen werden können. Für unseren Fall bedeutet das neben der Vollzeitbeschäftigung mit z.B. 40 Stunden pro Woche immerhin noch ganze 20 Stunden, die für eine Nebentätigkeit zur Verfügung stehen. Doch Vorsicht: die verlängerten Arbeitszeiten müssen innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen wieder auf einen Durchschnitt von acht Stunden werktäglich zurückgeführt werden!

Arbeitszeit erfassen (lassen)!

Da liegt das zweite Problem: viele Arbeitgeber in Hotellerie und Gastronomie wissen gar nicht, wie viele Stunden die bei ihnen beschäftigten Nebenerwerbs- und Hilfskräfte in ihrem jeweiligen Hauptberuf arbeiten. Abhilfe schafft da beispielsweise eine klare Vorgabe des Arbeitgebers bei der Arbeitszeiterfassung. In den betrieblichen Formularen zur Arbeitszeiterfassung kann ohne großen Aufwand eine Spalte hinzugefügt werden, in die vom Arbeitnehmer einzutragen ist, ob und wie viele Stunden er vor Arbeitsantritt bereits bei einem anderen Arbeitgeber gearbeitet hat. Der bürokratische Mehraufwand hält sich in Grenzen und die Prüfungsfestigkeit im Fall einer Kontrolle erhöht sich immens. 

Exkurs: Die neue Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (MiLoDokVO)

Seit dem 1. August 2015 gilt die neue Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (MiLoDokVO). Sie regelt die Pflicht zum Erstellen und Bereithalten von Dokumenten nach § 17 Absatz 1 und 2 des Mindestlohngesetzes, also die eigentliche Aufzeichnungspflicht. Diese galt schon in der bisherigen Fassung nicht für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit einem regelmäßigen Monatsentgelt von mehr als 2.958,00 € brutto. In der neuen Fassung entfällt die Aufzeichnungspflicht schon dann, wenn das Monatsentgelt 2.000,00 € brutto überschreitet und in den letzten zwölf Monaten nachweislich gezahlt wurde. Auch für mitarbeitende Familienangehörige entspannt sich die Situation. Die im Betrieb des Arbeitgebers arbeitenden Ehegatten, eingetragenen Lebenspartner, Kinder und Eltern des Arbeitgebers werden jetzt nicht mehr von der Aufzeichnungspflicht erfasst. Wenn der Arbeitgeber als juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft verfasst ist, entfällt die Aufzeichnungspflicht nun für vertretungsberechtigte Organe der juristischen Person, sowie für Mitglieder dieser Organe, bzw. für die vertretungsberechtigten Gesellschafter rechtsfähiger Personengesellschaften. Für sie alle sind dann im Fall einer Überprüfung durch das Hauptzollamt nur noch Unterlagen bereit zu halten, aus denen sich die Erfüllung der genannten Voraussetzungen ergibt.

Pausen- und Ruhezeiten beachten

Zu beachten ist aber auch, dass Arbeitnehmer nicht durch ihre Nebentätigkeit in Konflikt mit der Ruhezeitregelung des § 5 ArbZG geraten. Dauert der Arbeitseinsatz nämlich länger, könnte die ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden bis zum Beginn des nächsten Arbeitstags unterschritten werden. Gerade bei Veranstaltungen mit „open end“ kann das zum Problem werden. Wichtig ist zudem die Pausenregelung in § 4 ArbZG. Der Arbeitgeber darf nämlich Pausen nicht nach Gutdünken anordnen. Diese müssen vielmehr im voraus feststehen. Nach sechs Stunden müssen mindestens 30 Minuten Pause gemacht werden, nach neun Stunden sind es noch einmal mindestens 45 Minuten. Diese Pausen dürfen auch schon zwischendurch gemacht werden und sie dürfen auch geteilt werden. Die gesetzlichen Pflichtpausen dürfen aber keinesfalls kürzer als 15 Minuten sein.    

Ausnahmen in besonderen Fällen

Das Arbeitszeitgesetz wird von vielen Arbeitgebern als unerträglich eng geschnürtes Korsett empfunden, das unternehmerische Freiheit zu strangulieren droht und arbeitswilligen Arbeitnehmern Verdienstchancen raubt. Es hält aber auch Lockerungsmöglichkeiten bereit. So darf in Notfällen, d.h. wenn unvorhergesehen und unabhängig vom Willen der Betroffenen Rohstoffe oder Lebensmittel zu verderben drohen und Abhilfe auf anderem Weg nicht möglich ist, über die in § 3 ArbZG angeordneten maximal zehn Stunden hinaus gearbeitet werden (§ 14 Absatz 1 ArbZG). Ähnlich verhält es sich, wenn nur eine verhältnismäßig geringe Zahl von Arbeitnehmern betroffen ist und die Nichterledigung der Arbeit einen unverhältnismäßig hohen Schaden zur Folge hätte (§ 14 Abs. 2 ArbZG). Diese Regelungen sind gut gemeint, sie vermitteln dem Arbeitgeber aber noch längst keine Rechtssicherheit. Denn was konkret einen außergewöhnlichen Fall ausmacht, wieviele Arbeitnehmer eine verhältnismäßig geringe Zahl ausmachen und wann ein Schaden unverhältnismäßig ist, können oftmals nur Arbeitsrechtsexperten im Nachhinein sagen.

Bewilligung längerer Arbeitszeiten für Saisonbetriebe

Für die Hotel- und Gaststättenbranche bietet sich ein anderer Ausweg an. Nach § 15 ArbZG können nämlich Saisonbetriebe in den Genuss einer aufsichtsbehördlichen Verlängerungsbewilligung kommen. Das Problem mangelnder Rechtssicherheit entfällt damit automatisch. Doch die Antragsstellung hat in der Vergangenheit stets Sorge bereitet. Damit ist jetzt Schluss. Denn in Rheinland-Pfalz haben Hotels und Gaststätten künftig die Möglichkeit, mit Hilfe eines einfachen Antragsformulars, das mit den zuständigen Aufsichtsbehörden abgestimmt wurde, die Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit auf zwölf Stunden zu erlangen. Das Formular ist über die Landesgeschäftsstelle des DEHOGA Rheinland-Pfalz e.V. erhältlich.

Einfache Antragstellung, schnelle Bewilligung

Das Antragsformular sieht eine extrem kurze Antragsbegründung vor.  Demnach genügt es, auf die Abhängigkeit des antragstellenden Betriebs vom Tourismus in der Region hinzuweisen. Die wichtigsten Saisonzeiten, für die eine Ausnahmegenehmigung begehrt wird, sind auf der ersten Seite des Antragsformulars anzugeben und sollten den umsatzstärksten Zeiten des Jahres entsprechen. Als Beleg dafür ist eine Bestätigung der Saisonzeiten beizufügen (von der örtlichen Touristinfo, IHK oder ein geeigneter Auszug aus den Umsatzzahlen des Betriebs).

Gefährdungsbeurteilung

Um in den Genuss der Ausnahmeregelung zu kommen ist es weiter erforderlich, dass Angaben zur Gefährdungsbeurteilung gemacht werden. Betriebe mit mehr als 10 Mitarbeitern sind davon regelmäßig nicht betroffen, da sie bereits relativ engmaschig von den zuständigen Berufsgenossenschaften überwacht werden und deshalb meist über eine Gefährdungsbeurteilung verfügen. Diese Betriebe können im Antragsformular dann auch wahrheitsgemäß ankreuzen, dass eine Gefährdungsbeurteilung bereits vorliegt. Ist eine Gefährdungsbeurteilung geplant und konkret absehbar, wann sie erstellt sein wird, sollte dies im Antragsformular angegeben werden, das Kreuz ist dann an der dafür vorgesehenen zweiten Stelle zu setzen. Wichtig: die Gefährdungsbeurteilung muss NICHT mit dem Antrag mitgesendet werden! Betriebe mit weniger als 10 Mitarbeitern, die noch keine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt haben, können den Antrag auf Ausnahmegenehmigung trotzdem stellen. Diese Betriebe sollten aber die bei der Landesgeschäftsstelle des DEHOGA Rheinland-Pfalz e.V. erhältlichen Formulare „Checklist“ und „Fragebogen“ wahrheitsgemäß ausgefüllt haben. Auch hier gilt: die beiden Formulare müssen NICHT mit dem Antrag mitgesendet werden. Um gerade in kleineren Betrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern spätere Beanstandungen durch die Berufsgenossenschaft zu vermeiden, sollten allerdings mittelfristig die von der Berufsgenossenschaft bereitgestellten umfangreichen Handlungshilfen zur Gefährdungsbeurteilung verwendet werden.

Fazit:

Hoteliers und Gastronomen bleibt die Auseinandersetzung mit dem Arbeitszeitrecht nicht erspart. Bei genauer Analyse eröffnen sich jedoch Gestaltungsmöglichkeiten, von denen nicht nur aus juristischer Sicht, sondern auch aus unternehmerischen Gründen unbedingt Gebrauch gemacht werden sollte. Um hier rechtssicher zu agieren, ist qualifizierter Rat unabdingbar. Sprechen Sie uns im Bedarfsfall gerne an! Unsere Fach- und Rechtsanwälte für Arbeitsrecht beraten und unterstützen Sie tatkräftig.

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