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Das Arbeitszeitkonto – nützlich und sinnvoll, aber kein Allheilmittel

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) befindet sich unter Beschuss. Zu Recht. Es ist uralt und schon viel zu lange nicht mehr an die veränderte Arbeitswirklichkeit angepasst worden. Beim DEHOGA-Frühlingsfest in Stuttgart sprach sich nun sogar Bundesfinanzminister Schäuble für die längst überfällige Reform des Arbeitszeitgesetzes aus. Eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden würde vielen Arbeitgebern den so dringend benötigten Spielraum bei der Personaleinsatzplanung geben. Im Kontext europarechtlicher Regelungen wäre das zulässig, die bisherige Begrenzung auf derzeit täglich 8 Stunden, in Ausnahmefällen bis maximal 10 Stunden käme dann endlich auf das Abstellgleis.

Eine Flexibilisierung der starren Arbeitszeitvorgaben des Arbeitszeitgesetzes ist aber bis auf weiteres nur in engen Grenzen möglich.

Im Gastgewerbe, und eigentlich auch nur dort, ist die Ableistung von Teildiensten noch immer verbreitet. Die Aufteilung in – typischerweise – eine Mittagsschicht und eine Abendschicht, unterbrochen durch eine mehrstündige Pause, ist zulässig, muss aber arbeitsvertraglich vereinbart werden. Bei schwankendem Arbeitsanfall ist in der Rechtsprechung nämlich anerkannt, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, Arbeitnehmer nur während der arbeitstäglichen Stoßzeiten zu beschäftigen, auch wenn dazwischen mehrere Stunden liegen, für die keine Vergütung gezahlt wird. In der gerichtlichen Auseinandersetzung stellt sich aber dennoch immer wieder die Frage, ob der Arbeitgeber im Rahmen der Ausübung des Direktionsrechts nach § 106 Gewerbeordnung (GewO) tatsächlich wirksam geteilte Schichten angeordnet hat. Schließlich wird damit erheblich in die private Lebensführung eingegriffen und die Verfügbarkeit der arbeitsfreien Tageszeit erheblich eingeschränkt. Das Instrument der Anordnung von Teildiensten ist deshalb mit Vorsicht zu genießen.

Ein anderes Instrument zur Bewältigung von Leistungsspitzen ist die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos. Das Arbeitszeitkonto gibt das Verhältnis von Soll- und Istarbeitszeit wieder.  Plusstunden entsprechen einem Geldanspruch des Arbeitnehmers für bereits geleistete Arbeit, aufgezeichnete Minusstunden belegen, dass der Arbeitgeber für diese Zeit eine Vorschussleistung in Geld erbracht hat und der Arbeitnehmer in diesem Umfang zur Nachleistung verpflichtet ist. Beides ermöglicht den Parteien des Arbeitsvertrags die Feststellung, welche Ansprüche schon oder noch bestehen. Die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos mit verstetigter Lohnzahlung ist also so etwas wie eine wechselseitige Vorschussvereinbarung. Größter Vorteil: ein nicht ausgeglichenes Arbeitszeitkonto kann zum Ende des Arbeitsverhältnisses mit noch offenen Entgeltansprüchen des Arbeitnehmers ohne Rücksicht auf die Pfändungsfreigrenzen verrechnet werden. Dies gilt allerdings nicht, wenn die negative Buchung auf Umständen beruht, die nicht in den Risikobereich des Arbeitnehmers fallen, was z.B. Auftragsmangel, bzw. Annahmeverzug des Arbeitgebers der Fall ist. Entscheidend ist nach einer Formulierung beispielsweise des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, durch welche Ereignisse die negativen Buchungen auf dem Stundenkonto ausgelöst wurden. Bei der Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos sollte daher ein Arbeitsrechtsspezialist hinzugezogen werden, um die betrieblichen Rahmenbedingungen zu prüfen und die Gefahr einer unwirksamen oder unvorteilhaften Vereinbarung auszuschließen.

Der Manteltarifvertrag des DeHoGa Rheinland-Pfalz e.V. enthält in § 3 Nr. 1 B) seiner derzeit gültigen Fassung eine ausführliche und gut anwendbare Vereinbarung über die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos mit Flexibilisierungsregelung, auf die Bezug genommen werden kann, um die Vorzüge dieser Möglichkeit optimal zu nutzen und die Gefahr von Arbeitszeitverstößen zu minimieren. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass der Arbeitsvertrag um eine entsprechende Klausel ergänzt werden muss, um die Flexibilisierung wirksam in das Arbeitsverhältnis einzuführen. Ein wichtiger Vorteil der Flexibilisierung nach dem Manteltarifvertrag ist die Möglichkeit, nicht nur Überstunden, sondern auch Minusstunden verrechnen zu dürfen. Das ist leider keine Selbstverständlichkeit. Immer wieder landen derartige Fälle bei Gericht. Meist hat dabei der Arbeitgeber beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb die aufgelaufenen Minusstunden von der letzten Gehaltsabrechnung abgezogen. Selbst wenn die Minusstunden dank Arbeitszeitaufzeichnung sauber dokumentiert sind, verwerfen die Gerichte den Gehaltsabzug häufig. Leider hat in diesen Fällen der Arbeitgeber nur die Verrechnung von Plusstunden mit dem Arbeitnehmer vereinbart, nicht aber die Abzugsfähigkeit von Minusstunden. Aus der bloßen Vereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos folgt nämlich nicht bereits automatisch, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, Minusstunden zu verrechnen.

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