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Abmahnwellen und die auf sie folgende Kostenflut

Zahlreiche Verbände, aber auch Einzelunternehmer, nutzen die vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit und versenden massenhaft Abmahnungen an Unternehmen, die aus ihrer Sicht irreführend werben.

1. Jede funktionierende Marktwirtschaft benötigt Konkurrenz zwischen den verschiedenen Anbietern von Waren und Dienstleistungen. Um sich in Konkurrenzkämpfen durchsetzen zu können, ist es daher notwendig, seine Konkurrenten übertreffen zu können, sei es nun durch den Preis oder die Qualität des eigenen Angebots. Um dies wiederum der Öffentlichkeit bekannt zu machen, bedarf es der Werbung. Diese Werbung soll also dazu dienen, Gewinn zu erzielen.

Bundesweit mussten – und müssen weiterhin – zahlreiche Unternehmen schmerzhaft feststellen, wie die eigene Werbung jedoch nicht eigenen, sondern fremden Profit generiert. Grund hierfür ist die Vorschrift des § 5a UWG, die von der werbenden Unternehmerschaft z.T. wenig beachtet wurde. Diese Vorschrift soll verhindern, dass wesentliche Informationen in Werbeanzeigen, die den Verbraucher in die Lage versetzen eine geschäftliche Entscheidung zu treffen,  verschwiegen werden. Als wesentlich sieht das Gesetz  

  • die Merkmale der Ware oder Dienstleistung
  • die Identität und Anschrift des werbenden Unternehmers
  • den Endpreis
  • die Liefer-, Leistungs- und Zahlungsbedingung und
  • die Nennung eines etwaigen Rücktritts- oder Widerrufsrechts

an (§ 5a Abs. 3 UWG).

Der § 5a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist zum 30.12.2008 in Kraft getreten und beruht auf Art. 7 der europäischen Richtlinie 2005/29/EG. Ziel dieser Richtlinie war/ist es, unlautere Geschäftspraktiken zu verhindern, welche die Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern beeinträchtigen können. Es handelt sich im Kern also um ein durchaus lobenswertes Ziel. Um den schwarzen Schafen effektiv beikommen zu können, räumt das UWG Konkurrenten aber auch repräsentativen Vereinigungen die Befugnis ein, gegen unlautere Geschäftspraktiken dieser schwarzen Schafe vorzugehen. Die schnellste, effektivste und bekannteste Art sich somit zum Hüter der Rechtsordnung aufzuschwingen und gleichzeitig seine eigene rechtskonforme Geschäftspraktik zu schützen, stellt die sogenannte Abmahnung dar.  

Dass Abmahnungen längst nicht mehr nur verwendet werden, um unlautere Geschäftspraktiken oder Rechtsverletzungen einzudämmen, sondern sich als lebhafte Einnahmequelle erwiesen haben, ist spätestens seit sogenannten „Download-Fällen“ gemeinhin bewusst. Dieses „Erfolgsrezept“ setzt sich nun bei Werbungen fort.

 

2. Zahlreiche Verbände, aber auch Einzelunternehmer nutzen die vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit und versenden massenhaft Abmahnungen an Unternehmen, die aus ihrer Sicht irreführend werben. Dies begründen sie mit den Kriterien, die der europäische und nationale Gesetzgeber in § 5a UWG zum Ausdruck gebracht haben (s.o.). In vielen  Fällen handelte es sich dabei um Kleinanzeigen in  Zeitungen und Zeitschriften. Die dort abgemahnten Unternehmer preisten dabei ein oder mehrere besondere Arrangements an, welche Sie nach Eigenschaften (z.B. Dauer des Hotelaufenthalts, ob Halbpension oder Vollpension, Doppelzimmer oder Einzelzimmer, etc..) konkretisierten und dafür einen Preis beginnend ab einer bestimmten Summe angaben. In der Fußzeile war sodann der Name des Unternehmens neben der Postleitzahl und der Telefon- und Faxnummer, sowie E-Mail-Adresse und Homepage genannt. Es handelt sich also scheinbar um eine harmlose Werbeanzeige. Dass ein Verbraucher getäuscht oder durch die Werbung in die Irre geführt wird (immerhin ist ja im konkreten Fall die Internetseite genannt!), erscheint daher ebenso abwegig, wie die dahinter stehenden Unternehmen, die mit dem Betriebsnamen auftreten, als „schwarze Schafe“ zu sehen. Dies gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass diese Form der Werbung schon seit Jahrzehnten erfolgreich und beanstandungsfrei praktiziert wird.

Dies sehen die Abmahnenden, gestützt durch die Vorgaben des Gesetzgebers und zahlreicher Obergerichte, anders. Die Abmahnungen sehen dabei vor, die entstanden Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen sowie eine strafbewährte Unterlassungserklärung abzugeben, welche für den Fall einer  jeden Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe vorsieht. Hier droht eine wahre Kostenflut, denn die Unterlassungserklärung selbst bleibt auf unbestimmte Zeit wirksam – also nicht bloß 30 Jahre, wie häufig im Internet nachzulesen ist – und kann sogar einen Nachfolger des Unternehmens binden (OLG Hamm NJW-RR 1995, 608). Allenfalls die nach einem erneuten Zuwiderhandeln anfallende Vertragsstrafe verjährt nach drei Jahren.

Nach der Rechtsprechung umfasst eine einmal abgegebene Unterlassungsverpflichtung nicht nur die ursprünglich beanstandete Handlung. Erfasst werden alle „im Kern gleichartigen“ Verstöße, also all diejenigen Verstöße, die das charakteristische der abgemahnten Verletzungshandlung beinhalten. Als Faustformel lässt sich festhalten: Alle Handlungen, die den Unwert der ursprünglichen Handlung umfassen, gehören zum „Kernbereich“. Das führt immer wieder zu bösen Überraschungen beim Vertragsstrafenschuldner, auch nach vielen Jahren.

Außergerichtlichen Verhandlungen oder rechtlichen Argumenten verschließen sich die Abmahnenden meist, was dazu führt, dass umgehend nach Ablauf der gesetzten Frist zur Abgabe der Unterlassungserklärung ein gerichtliches Verfahren in Form des sogenannten Eilrechtsschutzes eingeleitet wird. Die Gerichte winken die Anträge häufig durch, wobei sich die Begründungen der Gerichte häufig darauf beschränken, auf die Antragsschrift zu verweisen. Die Kosten dieses Verfahrens sind natürlich vom abgemahnten Unternehmer zu tragen und bewegen sich bei ca. 1.500,00 €.

Eine bis dato noch mögliche rechtliche Diskussion über die tatsächliche Reichweite des § 5a UWG ist inzwischen auch inhaltlich kaum noch tragbar. So ist im Oktober 2013 ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) veröffentlicht worden, welches eindeutig besagt, dass es nicht ausreicht, dass ein Unternehmer aus den Umständen im Einzelfall eindeutig identifizierbar ist. Nach der Auffassung des BGH dient die Angabe der Identität und der Anschrift nicht dazu, einer Verwechslungsgefahr vorzubeugen, sondern  den Verbraucher in die Lage zu versetzen, sich über den Vertragspartner umfassend zu informieren und im Falle eines Rechtsstreits nicht erst noch anderweitig Informationen beschaffen zu müssen (BGH, Urteil vom 18.04.2013 – I ZR 180/12). Im Kern handelt es sich dabei um die gleiche Argumentation, die auch der Impressumspflicht bei gewerblichen Internetseiten zugrunde liegt – ein Bereich der übrigens auch sehr abmahnanfällig ist.

 

3. Welche Handlungsempfehlung kann also derzeit ausgesprochen werden?

a) Gar nicht mehr werben? Dies ist angesichts der Marktsituation keine ernsthafte Option.

 b) In jeder Form von Anzeige all die Angaben machen, die sich im Impressum finden? Wie bereits oben erwähnt, verfolgen die Vorgaben zur Impressumspflicht im Kern die gleichen Ziele wie § 5a UWG. In § 5 Abs. 1 des Telemediengesetzes (TMG) heißt es:

„Diensteanbieter haben für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien folgende Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten:

1. den Namen und die Anschrift, unter der sie niedergelassen sind, bei juristischen Personen zusätzlich die Rechtsform, […]

2. Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post,[…]“

Zu Deutsch: Name des Betriebs, ggf. Rechtsform (GmbH, GbR, etc) oder Name des Unternehmers (Inh: Herr Max Mustermann), Postleitzahl, Ort, Telefonnummer, optional Faxnummer, E-Mail-Adresse und Homepage sollten genannt werden, um sicher vor Abmahnungen zu sein. Dies sieht übrigens auch das Kammergericht in Berlin so (KG Berlin, Urt. v. 06.12.2011 - 5 U 144/10). Lediglich der Vertretungsberechtigte, etwa der Geschäftsführer einer GmbH, muss abweichend vom TMG nicht genannt werden (KG Berlin, Beschluss vom 21.09.2012 - 5 W 204/12).

Ob dann noch Kleinanzeigen lohnenswert bleiben, ist wiederum eine andere Sache.

c) Als letzte Alternative ist es möglich, eine Werbeanzeige dergestalt zu schalten, dass ein Verbraucher eben nicht in die Lage versetzt wird, unmittelbar eine geschäftliche Entscheidung zu treffen. Dazu darf der Werbetext keine konkreten Angebote machen, sondern lediglich die Vorzüge des Produkts oder des eigenen Unternehmens allgemein beschreiben.

Bei Werbeanzeigen im Internet ist der BGH übrigens nicht so streng. Hier genügt es, wenn ein Link auf das eigene Impressum vorhanden ist, da der BGH im Internet dem Verbraucher soviel Eigenständigkeit zutraut einen Link anklicken zu können. Dies gilt natürlich nur, wenn das eigene Impressum den Vorgaben des § 5 TMG entspricht. Sonst drohen am Ende noch zwei Abmahnungen wegen eines einzigen Fehlers…

 

4. Was können Sie tun, wenn Sie nun doch abgemahnt wurden?

Lassen Sie zunächst prüfen, ob die Abmahnung auch tatsächlich zu Recht ergangen ist. Auf keinen Fall sollten Sie vorschnell Unterlassungserklärungen abgeben ohne vorherige Prüfung.

Wenn Sie doch zu dem Ergebnis gelangen, einer Unterlassungserklärung aus Gründen der Schadensbegrenzung nicht entgehen zu können, prüfen Sie Modifikationsmöglichkeiten. Vereinzelt wird ein Unterlassen gefordert, welches zu weit geht. Oft werden auch noch feste Vertragsstrafen festgesetzt. Hier ist es sachgerecht stattdessen den sogenannten „Hamburger Brauch“ zu wählen, der eine Vertragsstrafe im Streitfall vom zuständigen Gericht überprüfbar machen lässt.

Abgeraten werden muss von der Modifikation, die zwar eine Vertragsstrafe vorsieht, als Begünstigten jedoch nicht den Abmahner sondern eine gemeinnützige Einrichtung nennt. Damit sollte in der Vergangenheit erreicht werden, dass der Abmahnende das Interesse daran verliert, nach weiteren Verstößen zu forschen. Dies ist grundsätzlich möglich, muss im Einzelfall jedoch stets vom Gericht auf die Ernsthaftigkeit hin geprüft werden (BGH GRUR 1987, 749). Immer mehr Gerichte halten diese Form der Modifikation für nicht ernsthaft genug und erlauben den Abmahnern weiterhin ein teures gerichtliches eilverfahren durchzuführen (LG Köln, Urteil vom 22.08.2012 - 84 O 104/12).

5. Sie sollten sich daher nicht erst beraten lassen, wenn sie schon mit einer Abmahnung konfrontiert werden, sondern bereits im Vorfeld, wenn Sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit Ihrer Werbung haben.

Gleiches gilt natürlich, wenn Sie selbst planen, wettbewerbswidriges Verhalten abmahnen zu lassen, um nicht selbst wegen einer möglicherweise fehlerhaften Abmahnung schadensersatzpflichtig zu werden.

Gern stehen wir Ihnen hierbei beratend zur Seite.

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