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Europäischer Gerichtshof bestätigt Anspruch des Reisenden auf Ausgleichszahlungen bei erheblicher Verspätung (Urteil v. 23.10.2012 – C-581/10, C-629/10)

 

Mit Urteil vom 23.10.2012 bestätigte die große Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) seine Rechtsprechung aus dem sog. Sturgeon-Urteil und billigt Fluggästen erheblich verspäteter Flüge einen Ausgleichsanspruch zu, wenn sie aufgrund dieser Flüge einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr am Ankunftsort erleiden und  wenn das Luftfahrtunternehmen nicht nachweisen kann, dass die Verspätung auf außergewöhnlichen Umständen beruht, welche sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die vom Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind.

Ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen bei Annullierung eines Fluges ist seit Einführung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlament und des Rates vom 11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs-und Unterstützungsleistungen für Fluggäste geregelt. Problematisch war, dass die Verordnung keine genaue Auskunft darüber gab, welche Ausgleichsleistungen bei einer erheblichen Verspätung zu leisten sind.

Infolge dessen kam es zu zahlreichen Gerichtsverfahren vor nationalen Gerichten. Durch Vorlage der Rechtsfrage an den EuGH, entschied dieser dann in dem Sturgeon-Urteil zugunsten der Flugreisenden. Nun ist allen Reisenden bei Flügen in oder aus der Europäischen Union und einer Ankunftsverspätung von über drei Stunden eine Kompensation entsprechend der Distanz der Flugreise von 250 €, 400 € oder 600 € zu zahlen.

Voraussetzung ist jedoch, dass der Grund der Verspätung auf außergewöhnlichen Umständen beruht, welche von dem Luftfahrtunternehmen beherrschbar sind.

Nicht beherrschbar sind unbestreitbar die Umstände, die aufgrund von Wetterbedingungen und Naturkatastrophen eintreten, wenn also die Sicherheit gefährdet ist.

In zahlreichen Rechtsstreitigkeiten stellten sich die Flugunternehmen auf den Standpunkt, dass auch technische Defekte an den Flugzeugen einen außergewöhnlichen Umstand darstellen, wenn alle gesetzlich vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt worden sind.

Diese Argumentation ist bei den Gerichten kaum durchgedrungen, da es vorliegend nicht auf ein Verschulden ankomme, sondern vielmehr, in wessen Sphäre der Grund der Verspätung liegt. Es handelt sich bei einem Flugzeug um ein Arbeitsgerät des Flugunternehmens und somit stellt ein technischer Defekt ein unternehmerisches Risiko dar.

Eine Haftungsbefreiung des Luftfahrtunternehmens kommt nur bei für das Unternehmen nicht beherrschbaren Einflüssen von außen in Betracht, so bei Fabrikationsfehlern.

Der EuGH hat insofern die Rechte des Reisenden weiter gestärkt, die Kompensationsleistungen für Verspätungen auf über 3 Stunden erweitert und die Grenzen für Haftungsbeschränkungen enger gezogen.

Bei Fragen zum Reiserecht kontaktieren Sie gerne Herrn Rechtsanwalt Daniel Nießen.

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