Sozietät Bietmann
Hier entstehenLösungen
Ein Mann packt Sachen nachdem das BAG den Aufhebungsvertrag für wirksam erklärt hat

BAG Aufhebungsvertrag – neues aus der Rechtsprechung

Das Arbeitsverhältnis endet durch den Tod des Arbeitnehmers, das Erreichen des Renteneintrittsalters (bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung), durch eine Kündigung oder durch eine einvernehmliche Beendigung. Die aktuelle Rechtsprechung gibt Anlass, den Aufhebungsvertrag näher zu beleuchten. Der folgende Beitrag stellt Ihnen zwei juristische Fallbeispiele vor.

Kurzübersicht zu dem Aufhebungsvertrag

Aufgrund der im Grundgesetz verbürgten Vertragsfreiheit ist es für Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglich, das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag zu beenden. Diese Art der Beendigung liegt oftmals im beiderseitigen Interesse, da sie für beide Parteien jeweilige Vorteile mit sich bringt.

Ein Arbeitgeber und ein Arbeitnehmer einigen sich auf einen Aufhebungsvertrag

Der Arbeitgeber kann zeitnah wirtschaftlich kalkulieren, wie lange der zu verabschiedende Arbeitnehmer kostenintensiv im Unternehmen verweilt. Eine einvernehmliche Auflösung macht sämtliche Schutzvorschriften im Rahmen des Kündigungsschutzes obsolet. Der Arbeitgeber trägt somit kein Risiko, einen etwaigen Kündigungsrechtsstreit zu verlieren.

Der Arbeitnehmer kann ebenso gezielt eine Beendigung einplanen. Auch er trägt kein Risiko im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses. Insbesondere trägt der Arbeitnehmer nicht das wirtschaftliche Risiko, dass der Arbeitgeber während eines Prozesses kein Gehalt mehr zahlt.

Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages birgt jedoch für den Arbeitnehmer weitaus größere Risiken als für den Arbeitgeber. Nicht nur ist der Arbeitnehmer oftmals bei dem Angebot eines Aufhebungsvertrages der „Schwächere“, da sich der Arbeitgeber bereits zuvor hat rechtlich beraten lassen. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages stellt zudem eine freiwillige Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses dar und führt damit nahezu reflexartig zu einer Sperrfrist und dem damit einhergehenden, zumindest zeitlichen Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld.

Darüber hinaus, ist es nicht unüblich, dass die Annahme des Arbeitgeberangebotes an kurze Fristen gebunden oder bei verzögerter Annahme mit dem Verlust etwaiger Zahlungen einhergeht. Der Aufhebungsvertrag unterliegt – ebenso wie die Kündigung – der Schriftform. Ist diese eingehalten, greifen die Grundsätze der allgemeinen Vertragsfreiheit, mit der Folge, dass die Gerichte sowohl Abschluss als auch Inhalt des Vertrages nur noch bedingt überprüfen.

Entsprechend sollten Arbeitnehmer niemals einen Aufhebungsvertrag übereilt und unberaten unterschreiben. Genau dies ist in den beiden nachfolgend dargestellten Fallbeispielen jedoch geschehen.

Wurden Ihnen als Arbeitnehmer ein Aufhebungsvertrag vorgelegt? Die Anwälte der Sozietät Bietmann unterstützen Sie, mit bestmöglichem Ausgang, Ihre Rechte durchzusetzen!

Ein Arbeitnehmer wird zu einer Unterschrift gezwungen – der Aufhebungsvertrag ist unwirksam

Urteil des BAG zum Aufhebungsvertrag vom 24. Februar 2022 – 6 AZR 333/21

Der folgende Sachverhalt, welcher letztlich bis in die dritte Instanz von den Gerichten zu überprüfen war, resultierte genau aus so einem unberaten unterzeichneten Aufhebungsvertrag. Was war geschehen?

Die Arbeitnehmerin wurde zu einem Personalgespräch gerufen. In dem Gespräch war der Geschäftsführer der Arbeitgeberseite sowie ein hinzugezogener Rechtsanwalt, welcher sich als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht vorstellte, zugegen. Der späteren Klägerin wurde vorgeworfen, im Rahmen des von ihr zu verantwortenden Verkaufsbereiches unberechtigt Einkaufspreise der Arbeitgeberseite abgeändert und reduziert zu haben, um eine entsprechend erhöhte Provision einzustreichen.

Nachdem diese Vorwürfe thematisiert und sowohl eine fristlose Kündigung als auch eine Strafanzeige in Aussicht gestellt wurden, wurde das Gespräch für 10 Minuten unterbrochen. Nach der Pause unterzeichnete die Klägerin sodann einen Aufhebungsvertrag. Später bereute die Klägerin diese Unterschrift. Sie klagte auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag nicht beendet sei, da sie ihre diesbezügliche Zustimmung wegen widerrechtlicher Drohung angefochten habe.

Die Argumentation der Klägerin in allen Instanzen war, dass der Aufhebungsvertrag aufgrund des Verstoßes gegen das Gebot des fairen Verhandelns unwirksam sei. Insbesondere

  • das Inaussichtstellen einer Strafanzeige,
  • die Anwesenheit eines Rechtsbeistandes des Arbeitgebers
  • sowie die Forderung der Arbeitgeberinnen den Vertrag sofort, ohne Bedenkzeit und ohne Kontaktmöglichkeit zu einem eigenen Rechtsbeistand zu unterzeichnen,

führten zu einem Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns. Auch das Inaussichtstellen einer fristlosen Kündigung sowie einer Strafanzeige wären eine widerrechtliche Drohung.

Dass ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns zu einer Unwirksamkeit der Aufhebung führen kann, hat das BAG bereits 2019 entschieden. In dem Urteil von 2022 konkretisiert das BAG die Voraussetzungen für die Annahme eines solchen Verstoßes. Die Klägerin unterlag vor dem Bundesarbeitsgericht, da dieses in diesem Sachverhalt einen solchen Verstoß nicht sah. Grundsätzlich seien die Gesamtumstände der Verhandlungen zu berücksichtigen. Die Anfechtung greife nicht durch, da ein verständiger Arbeitgeber sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung hätte ziehen dürfen. Entsprechend dürfte dies der Klägerin mitgeteilt werden.

Auch die Forderungen, den Aufhebungsvertrag sofort zu unterzeichnen und das Nichtzulassen einer vorherigen Rechtsberatung stellten keine Widerrechtlichkeit dar, da das Gesetz die sofortige Annahme von Vertragsangeboten als Regelfall kenne und die Annahme der freie Wille der Klägerin gewesen sei. Erst wenn die Klägerin nicht mehr die „Herrin“ ihrer Entscheidung gewesen wäre, greife das Gebot des fairen Verhandelns.

Der Fall zeigt, dass die Rechtsprechung selbst in solchen Grenzsituationen die Vertragsfreiheit und damit die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen sehr hoch bewertet. Trotz Druck und etwaiger Drohungen der Arbeitgeberseite, kann Arbeitnehmern nur davon abgeraten werden, solche Verträge unberaten und sofort als Ausweg aus der unangenehmen Situation zu unterzeichnen.

Die Fachanwälte der Sozietät Bietmann stehen Ihnen jederzeit – auch kurzfristig – für eine Beratung zum Thema Aufhebung zur Seite.

Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 28.05.2022 – 2 CA 60/22

Umgekehrt lief es in dem Fall vor dem Arbeitsgericht Heilbronn. In dem dortigen Fall wurden dem späteren Kläger im Rahmen eines Personalgespräches ein von der Arbeitgeberseite bereits unterzeichneter Aufhebungsvertrag sowie eine Abmahnung übergeben, deren Übergabe der Kläger gegenzeichnen sollte. Entscheidender Punkt war, dass der Kläger über nachweislich intellektuelle Schwächen verfügte.

Das BAG fällt ein Urteil zum Aufhebungsvertrag

Das Arbeitsgericht Heilbronn hielt den Aufhebungsvertrag für unwirksam, da der Arbeitgeber gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen habe. Der erkennbare intellektuelle Zustand des Klägers sowie der Umstand, dass dem Kläger durch die Vorlage einer – von dem Arbeitgeber selbst arbeitsrechtlich nicht mehr für relevant gehaltenen – Abmahnung zusammen mit dem Aufhebungsvertrag suggeriert wurde, er bestätige zweimal eine Entgegennahme, führten zu erweiterten Nebenpflichten des Arbeitgebers.

Im vorliegenden Fall reichte der Sachverhalt dem Arbeitsgericht sogar dafür aus, dass es dem Arbeitgeber eine Initiativpflicht zur Einräumung von Bedenkzeit auferlegte. Im Gegensatz zum BAG geht das Arbeitsgericht damit so weit, dass der Arbeitgeber im vorliegenden Fall dem Arbeitnehmer hätte von sich aus anbieten müssen, dass dieser im Rahmen einer Bedenkzeit rechtlichen Rat einholen kann. Da das Urteil insoweit von dem Urteil des BAG abweicht, hat das Arbeitsgericht die Berufung zugelassen.

Fazit – einen Anwalt für Arbeitsrecht zurate ziehen

Beide Fälle zeigen, dass die Bewertung der Rechtmäßigkeit des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages vom Einzelfall abhängt. Auch Arbeitgebern ist zu empfehlen, trotz des zu verstehenden Wunsches, den Arbeitsvertrag nach Entschlussfassung schnellstmöglich zu beenden, sich vor „Schnellschüssen“ sowohl über Inhalt der Aufhebungsverträge als auch über die Umstände des Abschlusses eines solchen beraten zu lassen.

Arbeitnehmern ist aufgrund der oftmals fehlenden Erfahrung grundsätzlich anzuraten, sich immer vor Unterschrift beraten zu lassen.

Sind Sie sich unsicher, ob Sie einen Aufhebungsvertrag unterschreiben sollten? Haben Sie einen Aufhebungsvertrag unterschrieben und wollen überprüfen lassen, ob die Umstände Sie zur Anfechtung berechtigen? Möchten Sie rechtlich mit einem Angestellten einen wirksamen Aufhebungsvertrag abschließen? Dann vereinbaren Sie einen Termin mit unseren Fachanwälten für Arbeitsrecht an einem unserer zehn Standorte. Wir überprüfen Ihre individuelle Situation und geben Ihnen eine interdisziplinäre Rechtsberatung.

Jetzt Termin vereinbaren - Wir rufen Sie zurück

* Pflichtfeld