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Der ärztliche Behandlungsfehler und sein Nachweis - Besonderheiten zur Beweislast im Arzthaftungsprozess

Tagtäglich schließen wir viele Verträge ab, die unser Leben mal mehr und mal weniger beeinflussen. Unabhängig von Alter, Beruf und Herkommen haben wir aber alle den Wunsch, gesund zu bleiben oder gesund zu werden. Ein elementar wichtiges Vertragsverhältnis, der Behandlungsvertrag, sticht daher durch eine Eigenschaft hervor: Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient!

Was aber, wenn dieses Vertrauensverhältnis Schaden nimmt? Wenn die ärztliche Behandlung nicht den gewünschten Erfolg erzielen konnte oder die gesundheitliche Situation des Patienten sich durch den Heileingriff sogar verschlimmert hat? Sehr schnell fällt dann das Wort: „Behandlungsfehler“ und der oder die Betroffene fragt sich, ob er oder sie einen Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld hat.

Im Arzthaftungsprozess muss dann geklärt werden, ob tatsächlich ein vorwerfbarer Behandlungsfehler vorliegt oder die Behandlung lediglich einen schicksalhaften Verlauf genommen hat. Wesentlich für den Ausgang des Arzthaftungsprozesses ist die Beweislast. Im Arzthaftungsprozess hängt die Beweislast insbesondere von der dem Arzt konkret vorgeworfenen Pflichtverletzung ab. Unter bestimmten Voraussetzungen kommt es zu einer Beweiserleichterung mit einer Beweislastumkehrung zugunsten des Patienten. Gelingt es einer Prozesspartei nicht, den ihr auferlegten Beweis für eine Tatsache zu erbringen, so verliert sie in der Regel den Prozess. Im Arzthaftungsprozess kommt es daher darauf an, dass Beweiserleichterungen und Beweislastumkehrungen erkannt und geltend gemacht werden.

 

Die Beweislast im Arzthaftungsprozess

Mit Beschluss vom 08.01.2018 (5 U 144/17) hat das OLG Köln Schmerzensgeldansprüche eines Patienten wegen Bewegungseinschränkungen infolge einer Operation am rechten Schultergelenk mit der Begründung verneint, Beweiserleichterungen seien nicht anwendbar und die behaupteten Behandlungsfehler daher nicht bewiesen. Dieser Beschluss verdeutlicht, wie komplex die Beweislast im Arzthaftungsprozess ausgestaltet ist. Von daher ist es ratsam, sich anwaltliche Unterstützung bei einem Spezialisten im Medizinrecht zu suchen.

Der Grundsatz

Die Rechtsprechung definiert den ärztlichen Behandlungsfehler als „negative Abweichung vom fachärztlichen Standard“. Die ärztliche Behandlung muss sich am jeweiligen Stand von medizinischer Wissenschaft und Technik orientieren. Ob dieser Standard unterschritten wurde, muss vom Anspruchsteller, also dem Patienten, bewiesen werden. Der Patient muss grundsätzlich Behandlungsfehler, Gesundheitsschaden und Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für diesen Schaden (sog. Kausalität) beweisen.

Seit Inkrafttreten des „Patientenrechtegesetz“ im Jahr 2013 ist der Behandlungsvertrag in den §§ 630a bis 630h des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert. In § 630h BGB sind die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen von der allgemeinen Beweislastverteilung geregelt, um den Besonderheiten des Behandlungsvertrags gerecht zu werden.

Grober Behandlungsfehler nachweisen

Gelingt es dem Patienten, einen groben Behandlungsfehler zu beweisen, greift gemäß § 630h Abs. 5 BGB eine Beweislastumkehr: Jetzt muss der Arzt beweisen, dass der eingetretene Schaden nicht auf seinem Fehlverhalten beruht. Die höchstrichterliche Rechtsprechung nimmt einen solchen groben Behandlungsfehler an, „wenn ein medizinisches Fehlverhalten vorliegt, das einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf“.

Hat der Arzt es unterlassen, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, kann es sogar unterhalb der Schwelle des groben Behandlungsfehlers zu einer Beweislastumkehr kommen.

Dokumentationsfehler

Der Arzt ist nach § 630f BGB verpflichtet, Diagnose, Maßnahmen und Ergebnis der medizinischen Behandlung in einer Patientenakte zu dokumentieren und diese Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren. Verstößt der Arzt gegen diese Pflicht, wird nach § 630h Abs. 3 BGB vermutet, dass er die jeweilige Maßnahme auch nicht getroffen, die Behandlung also nicht stattgefunden hat. Ohne diese zwingend notwendige Beweiserleichterung könnten Mängel in der Dokumentation die Aufklärung der Kausalität erschweren. Der Patient wäre dann häufig nicht in der Lage zu beweisen, dass der Behandlungsfehler für den bei ihm eingetretenen Gesundheitsschaden ursächlich war. 

Voll beherrschbares Behandlungsrisiko

Verwirklicht sich ein allgemeines Behandlungsrisiko, das für den Arzt voll beherrschbar war, greift nach § 630h Abs. 1 BGB ebenfalls eine Beweislastumkehr. Der Arzt muss sodann nachweisen, dass er alle notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um das Eintreten dieses Risikos für Leben, Körper und Gesundheit des Patienten zu verhindern.

Aufklärungsfehler

Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung kommt den Aufklärungsfehlern zu. Der ärztliche Heileingriff stellt – auch wenn er auf die (Wieder-)Herstellung der Gesundheit gerichtet ist – eine tatbestandliche Körperverletzung nach § 223 StGB dar. Als solche ist der Heileingriff nur dann gerechtfertigt, wenn eine wirksame Einwilligung des aufgeklärten Patienten vorliegt.

Nach § 630d BGB ist der Arzt daher verpflichtet, die Einwilligung des Patienten vor Durchführung der medizinischen Maßnahme einzuholen. Die Wirksamkeit dieser Einwilligung setzt voraus, dass der Patient über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufgeklärt wurde. Dazu gehören Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme, sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Die Anforderungen an die Aufklärung werden in § 630e BGB konkretisiert.

Macht der Patient im Arzthaftungsprozess einen Aufklärungsfehler geltend, muss der Arzt nach § 630h Abs. 2 BGB beweisen, dass er den Patienten korrekt aufgeklärt hat.

Um ihrer Aufklärungspflicht nachzukommen, verwenden Ärzte und Kliniken gerne vorformulierte Aufklärungsformulare. Wichtig für den Patienten ist jedoch, dass solche Formulare das mündliche Aufklärungsgespräch nur dokumentieren aber nicht ersetzen.

Liegt ein Aufklärungsfehler nachweisbar vor, kann sich der Arzt nach § 630h Abs. 2 BGB darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte. Dieser Einwand der „hypothetischen Einwilligung“ wird von der Rechtsprechung akzeptiert, sogleich aber strengen Anforderungen unterworfen. Er dient dazu, den notwendigen Kausalzusammenhang zwischen Aufklärungsfehler und Gesundheitsschaden zu verneinen. Der Patient muss in diesem Fall plausible Gründen dafür vorlegen, dass er sich – wäre die Aufklärung ordnungsgemäß erfolgt – in einem „echten Entscheidungskonflikt“ darüber befunden hätte, ob er den Eingriff durchführen lässt. Er muss aber nicht darlegen, wie er sich letztendlich entschieden hätte.

Der erfolgreiche Abschluss des Arzthaftungsprozesses hängt also maßgeblich von der Beweislastverteilung ab. Gerade im Medizinrecht ist es daher angezeigt, sich der Hilfe eines Spezialisten zu bedienen.

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