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Distribution – ist die Priorisierung des COVID-19-Impfstoffs der richtige Weg?

Weltweit wird intensiv an Impfstoffen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geforscht. Normalerweise dauert es mehrere Jahre, sogar Jahrzehnte, bis ein wirksamer Impfstoff gegen ein neuartiges Virus entwickelt werden kann. Die Sorge, auch nur ein weiteres Jahr mit den wirtschaftlichen und sozialen Einschränkungen und Belastungen leben zu müssen, bewegt die gesamte Erdbevölkerung gleichermaßen.

Umso größer war die Erleichterung, als im November 2020 erste Unternehmen, darunter das deutsche Unternehmen BioNTech in Kooperation mit dem Pfizer-Konzern, vermeldeten, einen wirksamen Impfstoff entwickelt zu haben. Sobald die einzelnen COVID-19-Impfstoffe durch die zuständigen Behörden zugelassen sind, stellt sich die Frage, wie eine gerechte und sinnvolle Verteilung des Impfstoffes gewährleistet werden kann. Die Politik hat sich für das System der Distribution entschieden, also einer vorrangigen Abgabe des Impfstoffs an priorisierte Gruppen der Bevölkerung.

Über die Frage, wie eine solche Verteilung praktisch und rechtlich umgesetzt werden sollte, sprach das Top Magazin Köln mit seinem Rechtsexperten, Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator Prof. Dr. Rolf Bietmann, Köln.

Herr Prof. Dr. Bietmann, wer entscheidet über die Verteilung der COVID-19-Impfstoffe?

Zwar haben die Bundesrepublik Deutschland und die EU bereits mit den Herstellern der aussichtsreichsten Impfstoffe Rahmenverträge über den Kauf von mehreren hundert Millionen Dosen ihrer Impfstoffe vereinbart. Dennoch wird in der ersten Zeit mit großer Sicherheit nicht genug Impfstoff für die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung stehen. Die daher zunächst unumgängliche Verteilung des knappen COVID-19-Impfstoffs erfolgt gemäß der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO), des Deutschen Ethikrates und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Diese haben ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht, in welchem sie einen Vorschlag für einen gerechten und geregelten Zugang zu dem COVID-19-Impfstoff unter Berücksichtigung ethischer, rechtlicher und praktischer Rahmenbedingungen unterbreiten.

Wie soll die Verteilung des COVID-19-Impfstoffs danach erfolgen?

Nach der gemeinsamen Empfehlung sollen zunächst Personen geimpft werden, die bei einer Erkrankung an COVID-19 das höchste Risiko für Tod und schwere Erkrankung tragen. Als zweite priorisierte Gruppe werden Berufsgruppen, die aufgrund berufsspezifischer Kontakte ein signifikant erhöhtes Risiko für eine Infektion aufweisen, genannt. Die dritte priorisierte Gruppe erfasst Berufsgruppen, die die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen gewähren, mithin systemrelevant sind.

Wieso bedarf es einer gesetzlichen Regelung der beabsichtigten Priorisierung?

Nach aktuellen Umfragen des ARD-Deutschlandtrends finden derzeit 93 Prozent der Deutschen die Priorisierung richtig. Trotz dieser weitgehenden Akzeptanz betrifft die Distribution einen grundrechtsrelevanten Bereich, da mit der Priorisierung immer auch eine Vorenthaltung medizinischer Güter einhergeht. Die Verteilung des COVID-19-Impfstoffs darf weder nach dem Prioritätsprinzip erfolgen, noch kann die Entscheidung, wer wann geimpft wird, allein den behandelnden Ärzten überlassen werden. Stattdessen müssen gesamtgesellschaftliche Ziele das Maß für eine gerechte Verteilung bilden. Die Solidarität in der Gesellschaft, die bereits das gesamte Jahr gefordert war, um ein funktionierendes Gesundheitssystem zu gewährleisten und möglichst viele Leben zu retten, ist weiterhin gefragt. Aus ethischen Aspekten und Gerechtigkeitsgründen ist es unumgänglich, dass zunächst die schwächsten Bevölkerungsgruppen und die systemrelevanten Berufsgruppen von dem COVID-19-Impfstoff profitieren. Der parlamentarische Gesetzgeber ist gefordert, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, in welcher er sowohl Ziele und Kriterien der Verteilung als auch die priorisierten Bevölkerungsgruppen hinreichend transparent und nachvollziehbar bestimmt.

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