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Zwei Personen prüfen in einem Arbeitsvertrag, wann ihr Urlaub von Verfall betroffen ist

Urlaub – Verfall, Ansprüche, Übertragung und Sonderregelungen

Viele Arbeitnehmer nehmen im laufenden Kalenderjahr bis zum 31. Dezember nicht den vollen Jahresurlaub und bemerken dann am Ende des Arbeitsjahres, dass sie noch Resturlaub offen haben. Wann der Resturlaub verfällt, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.

Der gesetzliche Mindesturlaub: 24 Werktage

Der Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern ist im Bundesurlaubsgesetz (BurlG) geregelt. In § 7 Abs. 3 BurlG findet sich eine gesetzliche Regelung zum Resturlaub.

Der für alle Arbeitnehmer geltende gesetzliche Mindesturlaub ist in § 3 BUrlG auf 24 Werktage festgelegt. Es wird also grundsätzlich ein Urlaub von 20 Tagen bei einer 5-Tage Woche gewährt, sofern nicht mehr Urlaubstage im Arbeitsvertrag oder einem einschlägigen Tarifvertrag vereinbart sind. Der gesetzliche Mindesturlaub ist unabdingbar und darf daher weder durch Tarifvertrag noch durch einzelvertragliche Vereinbarungen gekürzt werden. Eine arbeitsvertragliche Regelung, die den vom Gesetz vorgeschriebenen Mindesturlaub unterschreitet, ist folglich wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig. Es gilt dann der gesetzliche Mindesturlaub.

Als Werktage gelten gemäß § 3 Abs. 2 BUrlG alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind. Bei der Berechnung der Urlaubsdauer sind daher die Samstage als Urlaubstage mitzurechnen. Eine Umrechnung ist auch in Fällen von Teilzeitarbeit notwendig, wenn die Teilzeit an weniger Arbeitstagen als Vollzeit beziehungsweise als an 6 Werktagen geleistet wird.

Fallbeispiel:

Ein Arbeitnehmer arbeitet 5 Tage pro Woche. Arbeitsvertraglich vereinbart wurde der gesetzliche Mindesturlaub von 24 Werktagen:

Gesetzlicher Mindesturlaub = 5/6 × 24 Tage = 20 Arbeitstage bei einer 5-Tage-Woche.

6-Tage-Woche

5-Tage-Woche

4-Tage-Woche

3-Tage-Woche

2-Tage-Woche

1-Tage-Woche

24 Werktage

20 Werktage

16 Werktage

12 Werktage

8 Werktage

4 Werktage

 

 

 

 

 

Zusatzurlaub für Jugendliche und Schwerbehinderte

Wegen ihrer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit hat der Gesetzgeber bestimmten Arbeitnehmergruppen über den im BurlG festgelegten Mindesturlaubsanspruch hinaus zusätzliche Urlaubstage eingeräumt. In der Praxis von Bedeutung sind die zusätzlichen Urlaubsansprüche von Jugendlichen und Schwerbehinderten:

  • Schwerbehinderte (§ 208 SGB IX): 5 Tage
  • Jugendliche (§ 19 Abs. 2 JArbSchG):
    • mindestens 30 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des Kalenderjahres noch nicht 16 Jahre alt ist
    • mindestens 27 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des Kalenderjahres noch nicht 17 Jahre alt ist
    • mindestens 25 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des Kalenderjahres noch nicht 18 Jahre alt ist

Kein Zusatzurlaub für Gleichgestellte

Personen, die schwerbehinderten Menschen gleichgestellt i. S. d. § 2 Abs. 3 SGB IX sind, haben jedoch keinen Anspruch auf Zusatzurlaub. Der Zusatzurlaub gemäß § 208 SGB IX ist für Gleichgestellte nach der ausdrücklichen Anweisung des § 151 Abs. 3 SGB IX ausgeschlossen.

Wird die Schwerbehinderteneigenschaft erst im Laufe eines Kalenderjahres beantragt und festgestellt, so hat der Schwerbehinderte für jeden vollen Monat der Schwerbehinderung im Beschäftigungsverhältnis einen zeitanteiligen Anspruch. Für Bruchteile ganzer Urlaubstage enthält § 208 Abs. 2 Satz 2 SGB IX dieselbe Regelung wie § 5 Abs. 2 BUrlG. Der so errechnete Teilurlaub erhöht den gesetzlichen Urlaub.

Besteht das Arbeitsverhältnis nicht das ganze Kalenderjahr, darf der Zusatzurlaub nicht ein zweites Mal im Zuge der Ermittlung des Jahresurlaubes nach dem BUrlG gequotelt werden, denn dieser Umstand wird schon bei der Quotelung des Zusatzurlaubs berücksichtigt.

Allgemeine Regelungen zum Urlaubsanspruch

Wartezeit: 6 Monate

Der volle Urlaubsanspruch wird erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses (§ 4 BurlG) gültig. Damit erhält ein Arbeitnehmer den vollen Jahresurlaub nur, wenn sein Beschäftigungsverhältnis vor dem 01.07. eines Jahres beginnt und über das Jahr hinaus andauert oder wenn er nicht in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

Für Kalenderjahre, in denen die Wartezeit des Arbeitnehmers nicht erfüllt ist, sieht § 5 BUrlG einen Teilurlaub von 1/12 pro vollem Beschäftigungsmonat vor. Diesen Teilurlaub gewährt das Gesetz zeitanteilig unter gesetzlich bestimmten Rundungsregeln.

Verzicht auf Urlaub

Ein Verzicht des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch ist nicht möglich. Denn der gesetzliche Urlaubsanspruch ist gemäß §§ 13 Abs. 1, 3 BurlG unabdingbar und ein entsprechender Verzicht wäre nichtig. Ein Verzicht auf Urlaubsansprüche ist nur dann wirksam, wenn er einen den übergesetzlichen, vertraglichen Urlaubsanspruch betrifft.

Übertragung des Resturlaubes auf das Folgejahr

Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer gem. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG seinen Urlaub in dem Kalenderjahr, in dem dieser entstanden ist, nehmen. Eine Übertragung auf das Folgejahr ist jedoch möglich, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG).

Konnte der Arbeitnehmer seinen Resturlaub wegen einer Urlaubssperre oder wegen Krankheit nicht nehmen, wird der Urlaubsanspruch in das Folgejahr übertragen. Der Resturlaub muss dann gem. § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres – sprich bis zum 31. März genommen werden.

Verfall von Urlaub – Regelungen zu Mutterschutz & Elternzeit

Ausnahmen zum Urlaubsverfall betreffen beispielsweise Arbeitnehmer im Mutterschutz oder in Elternzeit: Der vor Mutterschutz und Elternzeit bestehende Urlaub verfällt nicht und kann nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz nachgeholt werden. Mit dem Urteil vom 19. Februar 2019 (9 AZR 423/16) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Urlaub nicht mehr ohne Weiteres am 31.12. des jeweiligen Urlaubsjahres verfällt. Vielmehr muss der Arbeitgeber zuvor:

(…) konkret und in völliger Transparenz dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss ihn – erforderlichenfalls förmlich – dazu auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht nimmt. Missachtet der Arbeitgeber seine Obliegenheit, verfällt der Urlaub nicht.

Der Urlaub verfällt somit nicht automatisch. Der Urlaubsanspruch verfällt damit nur dann zum Jahresende oder zum 31.03. des Folgejahres, wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer klar und rechtzeitig aufgefordert hat, den Urlaub zu beantragen und diese mit dem Hinweis verbunden hat, dass der Urlaub ansonsten verfällt.

Wir empfehlen Arbeitgebern, den Hinweis schriftlich zu erteilen, um im Streitfall nachweisen zu können, dass die Mitwirkungspflicht erfüllt wurde. In Betracht kommen

  • ein entsprechender Aufdruck in der Entgeltabrechnung,
  • eine E-Mail
  • oder ein individuelles Anschreiben an die Mitarbeiter.

 

Verfall von Urlaub – Regelungen im Falle der Krankheit

Kann der Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit den Resturlaub nicht im laufenden Kalenderjahr bis zum 31.12. nehmen, wird der Resturlaub in das Folgejahr übertragen und kann bis zum Ende des ersten Quartals – dem 31.03. des Folgejahres – von dem Arbeitnehmer genommen werden. Den langzeiterkrankten Arbeitnehmern wird daher eine längere Zeit gewährt, um den Urlaub „nachzuholen″.

Um zu verhindern, dass aufgrund von Krankheit jahrelang Urlaub angesammelt wird, entschied das Bundesarbeitsgericht, dass Urlaub von Langzeiterkrankten 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfällt (BAG, Urteil vom 7. August 2012 – 9 AZR 353/10). Dieses Urteil folgte auf die im Jahre 2011 getroffene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (Entscheidung vom 22. November 2011 – C-214/10). Nach diesem Zeitpunkt verfällt der Resturlaub, auch wenn der Arbeitnehmer weiterhin erkrankt ist.

Fallbeispiel:

Der Arbeitnehmer M ist im Jahr 2021 durchgehend erkrankt. Der Urlaubsanspruch für 2021 kann von M daher noch bis zum 31.03.2023 geltend gemacht werden, wenn er nicht vorher wieder arbeitsfähig wird.

Das Urteil bezieht sich allerdings auf den gesetzlichen Mindesturlaub – alle darüber hinaus gehenden Urlaubstage können bereits am Ende des Jahres verfallen. Dies setzt jedoch eine vertraglich wirksame Differenzierung zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem übergesetzlich gewährten Mehrurlaubsanspruch voraus.

Derzeit ist noch ungeklärt, ob Urlaubsansprüche – auch bei Krankheit – spätestens nach der Regelfrist von 3 Jahren verjähren, wenn sie bis dahin nicht erfüllt sind. Das BAG hat zur Klärung dieser Frage im September 2020 ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet, die Entscheidung des EuGHs steht noch aus.

Urlaubsabgeltung bei Kündigung

Im Falle der Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist § 7 Abs. 4 BUrlG anwendbar.  Erfolgt die Kündigung vor dem 30. Juni, so steht dem Arbeitnehmer ein Zwölftel des Jahresurlaubes für jeden vollen Monat zu, den er in diesem Kalenderjahr noch beschäftigt war. Wird das Arbeitsverhältnis jedoch nach dem 30. Juni beendet, steht dem Arbeitnehmer der volle gesetzliche Mindesturlaubsanspruch für das gesamte Kalenderjahr zu. Der darüberhinausgehende Urlaubsanspruch darf nur anteilig gekürzt werden, wenn dies vertraglich geregelt ist.

Eine Frau zerreißt einen Vertrag – bei einer Kündigung besteht ein Teilanspruch auf Urlaub

Auch nach dem Ausspruch einer Kündigung sollte der Resturlaub in der Regel in natura – also tatsächlich – genommen werden. Erst wenn dafür keine Möglichkeit im bestehenden Arbeitsverhältnis verbleibt, wird der Urlaub mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses finanziell abgegolten. Der Auszahlungsbetrag der Urlaubsabgeltung richtet sich dann nach dem Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Verjährung des Urlaubsanspruchs und Ausschlussfristen

Ob der Urlaubsanspruch der regelmäßigen Verjährung unterliegt ist noch offen. Diese Frage hat der BAG dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegt. Eine Entscheidung steht noch aus.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs.4 BUrlG unterliegt der regelmäßigen Verjährung nach § 195 BGB. Im Arbeitsvertrag oder in einem anzuwendenden Tarifvertrag können aber kürzere Ausschlussfristen enthalten sein. Solche Fristen regeln, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer kurzen Frist – häufig drei Monate– geltend zu machen, sind und – falls sie dann nicht erfüllt werden – innerhalb einer weiteren Frist eingeklagt werden müssen.

Mit dem Urteil vom 27.10.2020 (9 AZR 521/19) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass jedenfalls eine tarifliche Ausschlussfrist auch für den Urlaubsabgeltungsanspruch gilt.

Tipp: Wir empfehlen betroffenen Arbeitnehmern daher, die ihnen zustehenden Urlaubsabgeltungsansprüche sofort nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen und, falls erforderlichenfalls, kurzfristig einzuklagen.

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